Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz: Zwischen Wunsch & Realität
Theoretisch gesehen ist Deutschland, was die Kinderbetreuung angeht sehr gut aufgestellt. Seit 2013 gibt es einen bundesweiten Anspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem Alter von einem Jahr bis zur Einschulung. In der Praxis gibt es allerdings einen wachsenden Mangel an Kita-Plätzen, weshalb viele Anträge abgelehnt werden.
Was für einen rechtlichen Anspruch gibt es?
Im August 2013 wurde der Anspruch auf einen Kita-Platz erweitert. Grundsätzlich gilt laut § 24 SGB VIII folgendes:
- Kinder ab 3 Jahren bis zur Einschulung haben Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung (ugs. Kindertagesstätte oder Kindergarten).
- Kinder zwischen 1 und 3 Jahren haben Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung (ugs. Kindertagesstätte) oder in der Kindertagespflege (ugs. Tagesmutter oder Tagesvater).
- Kinder unter 1 Jahr haben unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch auf eine Unterbringung in einer Tageseinrichtung (ugs. Kindertagesstätte) oder in der Kindertagespflege (ugs. Tagesmutter oder Tagesvater). Zum Beispiel, wenn beide Eltern arbeiten, arbeitssuchend sind oder sich noch in der Ausbildung befinden.
Das heißt im Klartext: Kinder ab einem Jahr haben (tatsächlich ab dem Tag des ersten Geburtstags!) einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Der Platz kann in einer Kindertagesstätte oder bei der Tagesmutter/-vater sein. Es ist rechtlich gesehen keine Voraussetzung, dass ein oder beide Elternteile arbeiten. Bei Kindern ab drei Jahren hingehen hat man Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte. Ein Platz bei einer Tagesmutter kann abgelehnt werden ohne den Rechtsanspruch zu verlieren. Der gesetzliche Anspruch bedeutet allerdings nicht, dass man sich die Kindertagesstätte frei aussuchen kann oder dass es die nächstgelegene Einrichtung sein wird. Es gilt, dass die Entfernung angemessen sein muss – das bedeutet aktuell einen Anfahrtsweg von ca. 30 Minuten oder im städtischen Raum eine Entfernung von bis zu 5 km.
Was passiert, wenn mein Kind keinen Platz bekommt?
Leider ist es durchaus möglich, dass Ihr Kind zum ersten Geburtstag keinen Betreuungsplatz bekommt. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2020 gibt es große regionale Unterschiede: Im Saarland, in Bremen und in Nordrhein-Westfalen ist die Betreuungslücke am Größten. Knapp 20 Prozent aller Kinder unter drei Jahren hatten dort keinen Betreuungsplatz bekommen, obwohl sich die Eltern einen wünschten. Gut stehen aktuell Bayern und Baden-Württemberg da – dort ist allerdings die Nachfrage geringer als in anderen Bundesländern. „Nähert sich der Betreuungsbedarf wie zu erwarten den anderen Bundesländern an, werden auch in Bayern und Baden-Württemberg sehr viel mehr Kitaplätze benötigt“, sagt Wido Geis-Thöne. Auch Ostdeutschland – mit Ausnahme von Berlin – steht gut da. Allerdings ist der Betreuungsschlüssel mit eine*r Erzieher*in für knapp sechs Kinder schlechter als in Westdeutschland. Dort sind es im Schnitt nur vier Kinder.
Grundsätzlich haben Sie folgende Möglichkeiten:
- Bekommen Sie für Ihr Kind keinen Betreuungsplatz, haben Sie die Möglichkeit sich selbst um einen Platz zu kümmern, z. B. in einer privaten Kindertagesstätte. Liegen die Kosten über den regulären Kosten, muss die Gemeinde für die Mehrkosten aufkommen. Dabei gilt, dass die Kindertagesstätte nicht zu sehr vom Standard abweichen darf. Zudem werden die Mehrkosten nur dann erstattet, wenn sie den Eltern nicht zumutbar sind.
- Legen Sie Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein. Wichtig ist hierbei, dass Ihnen der Ablehnungsbescheid schriftlich vorliegt. Eine mündliche Absage reicht dafür nicht aus.
- Bekommen Sie nach dem Einlegen des Widerspruchs immer noch keinen Betreuungsplatz, können Sie Ihren Anspruch auf einen Kindergartenplatz beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht durchsetzen.
Hinweis: Die Gerichte sind zwar auf der Seite der Eltern. Gerechtfertigte Gründe für eine Ablehnung sind allerdings auch Personalmangel in den Kindertagesstätten.
Warum fehlen so viele Plätze?
Laut der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2020 fehlen alleine im U3 Bereich in Deutschland mehr als 340.000 Plätze. Die Betreuungslücke ist seit 2015 nochmal gestiegen und das obwohl mehr als 135.000 zusätzliche Plätze in Kitas und bei Tageseltern geschaffen wurden. Der Grund liegt darin, dass der Bedarf steigt – Eltern wünschen sich immer früher einen Betreuungsplatz für ihr Kind. „Lange galt insbesondere in Westdeutschland ein Alter von drei Jahren als geeigneter Betreuungsbeginn. Das hat sich vollkommen geändert“, sagt IW-Familienexperte Wido Geis-Thöne.
Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2021 stehen die Kindertagesstätten vor einem massiven Problem: Es besteht ein dramatischer Mangel an Fachkräften, um die Kinder angemessen zu betreuen. Die Studie prognostiziert, dass es in diesem Jahrzehnt nicht mehr möglich ist, ausreichend Plätze mit einem kindgerechten Betreuungsschlüssel zu realisieren. Dafür gebe es schlicht nicht genügend qualifiziertes Personal. Und die Prognose wird noch düsterer: bis 2030 werden deutschlandweit mehr als 230.000 Erzieher*innen fehlen.