Entmündigung gibt es nicht – Selbstbestimmung durch Vorsorge
Im Laufe des Lebens können Situationen eintreten, in denen Menschen nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln – sei es durch Krankheit, einen Unfall oder altersbedingte Einschränkungen. Für viele stellt sich in diesem Zusammenhang die bange Frage: Wer entscheidet dann für mich? Und wie stelle ich sicher, dass meine Wünsche und Vorstellungen respektiert werden? Der Begriff „Entmündigung“ spukt immer noch in den Köpfen vieler Menschen herum. Dabei ist die Entmündigung in Deutschland seit über 30 Jahren Geschichte.
Das heutige Betreuungsrecht hat die frühere Vormundschaft für Erwachsene komplett abgelöst. Statt Bevormundung steht heute die Unterstützung der betroffenen Person im Vordergrund. Dennoch bleibt die Angst vor einem vermeintlichen Kontrollverlust groß. Der Schlüssel, um selbstbestimmt zu bleiben, liegt in einer guten Vorsorge – durch Vollmachten und Verfügungen.
Was bedeutet „Entmündigung“ und warum gibt es sie nicht mehr?
Früher war die Entmündigung ein juristisches Instrument, das es dem Staat ermöglichte, einer Person die Geschäftsfähigkeit vollständig oder teilweise abzuerkennen. Die betroffene Person wurde zum „Mündel“ erklärt und bekam einen Vormund zugewiesen, der alle rechtlichen und finanziellen Entscheidungen für sie traf. Diese Maßnahmen führten oft zu einem vollständigen Verlust der Selbstbestimmung und waren – aus heutiger Sicht – nicht selten willkürlich oder unverhältnismäßig.
1992 schaffte der Gesetzgeber die Entmündigung ab und führte das moderne Betreuungsrecht ein. Heute gibt es keine Entmündigung mehr. Stattdessen gibt es die gesetzliche Betreuung, die den betroffenen Menschen unterstützt, statt ihn zu bevormunden. Dabei bleibt die Geschäftsfähigkeit grundsätzlich erhalten, und die Betroffenen können weiterhin so viel wie möglich selbst entscheiden.
Gesetzliche Betreuung: Unterstützung, keine Bevormundung
Eine gesetzliche Betreuung wird vom Betreuungsgericht eingerichtet, wenn eine Person aufgrund von:
- psychischen Erkrankungen(z.B. Demenz, Depressionen),
- geistigen oder seelischen Behinderungen,
- oder körperlichen Einschränkungen
ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln kann. Dabei wird genau geprüft, ob und in welchen Lebensbereichen Unterstützung nötig ist. Eine Betreuung wird nur so weit angeordnet, wie es erforderlich ist. Beispielsweise kann sie nur für den Bereich „Vermögenssorge“ oder „Gesundheitssorge“ eingerichtet werden.
Wichtig: Die betroffene Person bleibt trotz Betreuung grundsätzlich geschäftsfähig. Nur in seltenen Fällen kann ein sogenannter Einwilligungsvorbehalt eingeführt werden. Das bedeutet, dass bestimmte Entscheidungen – wie größere finanzielle Transaktionen – erst mit Zustimmung des Betreuers wirksam werden.
Als Betreuer können Angehörige, Freunde oder auch professionelle Berufsbetreuer eingesetzt werden- Ihre Mitbestimmung zählt! Denn wenn Sie rechtzeitig vorsorgen, können Sie selbst bestimmen, wer im Ernstfall diese Rolle übernehmen soll. Dazu dient die Betreuungsverfügung. In diesem Dokument können Sie:
- Personen benennen, die als Betreuer eingesetzt werden sollen,
- Personen ausschließen, die Sie nicht in dieser Rolle sehen möchten.
Das Betreuungsgericht berücksichtigt Ihre Wünsche und wird die Verfügung bei seiner Entscheidung einbeziehen.
Selbstbestimmung durch Vorsorge: Vorsorgevollmacht und Verfügungen
Möchten Sie selbst dafür sorgen, dass eine gesetzliche Betreuung gar nicht erst notwendig wird, sollten Sie rechtzeitig vorsorgen. Die wichtigsten Instrumente dafür sind:
- Vorsorgevollmacht
- Betreuungsverfügung
- Patientenverfügung
Diese Dokumente ermöglichen es Ihnen, Ihre Wünsche und Entscheidungen für den Fall einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit festzulegen. Sie können selbst bestimmen, wer für Sie handeln darf und in welchen Bereichen Unterstützung nötig ist.
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Die Vorsorgevollmacht: Vertrauen und Verantwortung
Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigen Sie eine Person Ihres Vertrauens, in Ihrem Namen Entscheidungen zu treffen, wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind. Die Vorsorgevollmacht ist das stärkste Mittel zur Vermeidung einer gesetzlichen Betreuung.
In welchen Bereichen gilt die Vorsorgevollmacht?
Sie können festlegen, in welchen Angelegenheiten Ihr Bevollmächtigter handeln darf, z.B.:
- Finanzen: Zugang zu Bankkonten, Verwaltung von Vermögen.
- Gesundheit: Entscheidungen über medizinische Behandlungen.
- Behördliche Angelegenheiten: Kommunikation mit Ämtern und Versicherungen.
Vorteile der Vorsorgevollmacht:
- Sie umgehen ein zeitaufwendiges Betreuungsverfahren.
- Sie behalten die Kontrolle darüber, wer Ihre Angelegenheiten regelt.
- Ihre Vertrauensperson hat direkt die nötige Entscheidungsbefugnis.
Tipp: Eine Vorsorgevollmacht sollte sorgfältig formuliert und notfalls von einem Rechtsanwalt oder Notar beglaubigt werden, insbesondere wenn sie Grundstücksgeschäfte oder große finanzielle Transaktionen umfasst.
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Die Betreuungsverfügung: Wer soll Betreuer werden?
Im Unterschied zur Vorsorgevollmacht legt die Betreuungsverfügung fest, wer im Falle einer Betreuung als Betreuer eingesetzt werden soll. Sie ist sinnvoll, wenn Sie keine umfassende Vollmacht erteilen möchten oder können.
Wichtige Inhalte einer Betreuungsverfügung:
- Benennung einer Wunschperson als Betreuer.
- Ausschluss von Personen, die Sie nicht als Betreuer möchten.
- Wünsche zur Art der Betreuung (z.B. Wohnsituation, medizinische Behandlungen).
Das Betreuungsgericht prüft Ihre Verfügung und setzt den gewünschten Betreuer ein, sofern dieser geeignet ist. Ihre Wünsche sind für das Gericht ein wichtiger Anhaltspunkt.
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Die Patientenverfügung: Für den medizinischen Ernstfall vorsorgen
Eine Patientenverfügung regelt medizinische Maßnahmen für den Fall, dass Sie selbst keine Entscheidungen mehr treffen können. Hier halten Sie fest, welche Behandlungen Sie wünschen oder ablehnen, z.B.:
- Wiederbelebung bei schwerster Erkrankung,
- künstliche Ernährung,
- lebenserhaltende Maßnahmen bei unheilbarer Krankheit.
Wichtige Punkte bei der Patientenverfügung:
- Seien Sie so konkret wie möglich, um spätere Unklarheiten zu vermeiden.
- Besprechen Sie die Verfügung mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.
- Halten Sie die Verfügung schriftlich fest und bewahren Sie sie an einem leicht zugänglichen Ort auf.
Mit einer Patientenverfügung entlasten Sie Angehörige und Ärzte, da Ihre Wünsche klar festgehalten sind.
Betreuung oder Vorsorgevollmacht – was ist der Unterschied?
Eine Vorsorgevollmacht ist eine freiwillige, rechtzeitige Entscheidung einer geschäftsfähigen Person. Sie bevollmächtigen eine Vertrauensperson, ohne dass ein Gericht eingreifen muss.
Die gesetzliche Betreuung tritt ein, wenn keine Vorsorge getroffen wurde und eine Person ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Das Betreuungsgericht entscheidet über die Einrichtung einer Betreuung.
Fazit: Selbstbestimmung durch rechtzeitige Vorsorge
Die Zeiten der Entmündigung sind lange vorbei. Das moderne Betreuungsrecht schützt die Würde und Rechte der betroffenen Menschen. Dennoch bleibt es wichtig, rechtzeitig selbst vorzusorgen. Mit einer Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung können Sie sicherstellen, dass Ihre Wünsche respektiert und Ihre Angelegenheiten in Ihrem Sinne geregelt werden.
Wir vom Viva Familienservice möchten Sie dazu ermutigen, frühzeitig Klarheit zu schaffen – für sich selbst und Ihre Angehörigen. Denn wer vorsorgt, behält die Kontrolle und kann beruhigt in die Zukunft blicken.