Pubertät: Zwischen Festhalten und Loslassen
Die Pubertät ist eine der herausforderndsten Phasen im Familienleben. Während Ihr Kind sich von Ihnen abnabelt und eigene Wege geht, suchen Sie als Eltern weiterhin nach Möglichkeiten, Halt und Orientierung zu geben. Dieses Spannungsfeld – zwischen dem Festhalten an Vertrautem und dem Loslassen in die Unabhängigkeit – führt nicht selten zu Konflikten, Unsicherheiten und emotionalen Belastungen. Doch die gute Nachricht ist: Sie sind nicht allein, und mit einem bewussten Umgang lassen sich diese Herausforderungen meistern.
Eine Phase des Wandels verstehen
Die Pubertät ist geprägt von tiefgreifenden körperlichen und emotionalen Veränderungen. Hormonelle Umstellungen beeinflussen nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch das Verhalten Ihres Kindes. Stimmungsschwankungen, Rückzug oder plötzliche Rebellion – all das sind typische Merkmale dieser Lebensphase.
Für Eltern kann das herausfordernd sein, besonders wenn sich das vertraute, liebevolle Kind scheinbar in einen unberechenbaren Teenager verwandelt. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass diese Veränderungen notwendig sind. Ihr Kind versucht, seine eigene Identität zu finden, Werte zu hinterfragen und eine persönliche Unabhängigkeit aufzubauen.
Hilfreich ist, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass diese Phase ein Prozess ist. Auch wenn es manchmal so scheint, als ob Ihr Kind sich von Ihnen distanziert, bleibt Ihre Rolle als Anker und Orientierungshilfe von zentraler Bedeutung.
Festhalten: Halt und Orientierung geben
Auch wenn Ihr Kind in dieser Zeit nach Freiheit strebt, ist es essenziell, ihm Halt und Orientierung zu geben. Jugendliche brauchen verlässliche Bezugspersonen und klare Werte, um einen inneren Kompass zu entwickeln.
Warum klare Grenzen wichtig sind
Grenzen bieten Sicherheit – auch wenn Jugendliche sie infrage stellen oder bewusst überschreiten. Klare Regeln und Konsequenzen signalisieren, dass Sie Ihr Kind ernst nehmen und sich um sein Wohlergehen kümmern. Gleichzeitig schaffen sie Orientierung in einer Zeit, in der vieles unsicher und neu ist.
Beispiel: Wenn Sie vereinbaren, dass Ihr Kind um 22 Uhr zu Hause sein soll, und diese Regel bricht, können Sie ruhig, aber bestimmt darauf hinweisen, warum diese Grenze existiert. Gleichzeitig sollten Konsequenzen transparent und fair sein.
Die richtige Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen
Es ist nicht immer einfach, den richtigen Mittelweg zu finden. Zu viel Kontrolle kann dazu führen, dass sich Ihr Kind eingeengt fühlt, während zu viel Freiheit Verunsicherung auslösen kann. Finden Sie einen Ansatz, der sowohl Ihrer Persönlichkeit als Elternteil als auch den Bedürfnissen Ihres Kindes entspricht.
Loslassen: Raum für Selbstständigkeit schaffen
Loslassen ist eines der schwierigsten Themen für Eltern. Der Wunsch, Ihr Kind vor Fehlern oder Enttäuschungen zu schützen, ist nur allzu verständlich. Doch genau diese Erfahrungen sind wichtig für die persönliche Entwicklung.
Warum Fehler wichtig sind
Fehler machen gehört zum Erwachsenwerden. Wenn Sie Ihrem Kind die Möglichkeit geben, Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen zu tragen, fördern Sie seine Selbstständigkeit und Eigenverantwortung.
Beispiel: Ihr Kind entscheidet sich, für eine Klassenarbeit nicht ausreichend zu lernen, und bekommt eine schlechte Note. Anstatt es dafür zu bestrafen, könnten Sie die Situation als Lernerfahrung nutzen. Fragen Sie, was es beim nächsten Mal anders machen könnte, und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
Freiräume schaffen und Verantwortung fördern
Freiräume sind wichtig, um Vertrauen und Selbstbewusstsein zu stärken. Bieten Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen eigene Entscheidungen zu treffen. Kleine Aufgaben im Haushalt oder die Verwaltung des eigenen Taschengelds können erste Schritte in Richtung Eigenverantwortung sein.
Konflikte als Chance sehen
Konflikte gehören zur Pubertät dazu. Oftmals sind sie Ausdruck davon, dass Ihr Kind Grenzen testen oder seine Meinung durchsetzen möchte. Diese Momente können herausfordernd sein, bieten aber auch eine wertvolle Gelegenheit, die Beziehung zu stärken und wichtige Werte zu vermitteln.
Ruhig bleiben und zuhören
Auch wenn es schwerfällt: Versuchen Sie, in konfliktreichen Situationen ruhig zu bleiben. Hören Sie Ihrem Kind aktiv zu und zeigen Sie, dass Sie seine Sichtweise ernst nehmen. Oft geht es Jugendlichen weniger darum, „Recht zu haben“, sondern darum, gehört und verstanden zu werden.
Wertschätzende Kommunikation fördern
Anstelle von Vorwürfen können Ich-Botschaften hilfreich sein. Statt zu sagen: „Du bist immer so respektlos!“, könnten Sie formulieren: „Ich fühle mich verletzt, wenn du so mit mir sprichst.“ Solche Aussagen eröffnen Raum für ein Gespräch, ohne dass sich Ihr Kind sofort in die Defensive gedrängt fühlt.
Die Rolle der eigenen Emotionen
Eltern stehen während der Pubertät nicht nur vor der Herausforderung, ihre Kinder zu begleiten, sondern auch vor der Aufgabe, mit ihren eigenen Emotionen umzugehen.
Mit Sorgen und Ängsten umgehen
Es ist normal, sich Sorgen zu machen, besonders wenn Ihr Kind zunehmend eigenständiger wird. Fragen wie „Kommt mein Kind allein zurecht?“ oder „Ist es in der Lage, gute Entscheidungen zu treffen?“ sind nur zu verständlich. Doch versuchen Sie, diese Sorgen nicht auf Ihr Kind zu übertragen. Vertrauen Sie darauf, dass es die Fähigkeiten hat, sich in der Welt zurechtzufinden.
Verlustgefühle zulassen
Wenn Kinder heranwachsen, verändert sich auch die Beziehung zu ihnen. Dieses Loslassen kann schmerzhaft sein und das Gefühl hervorrufen, „nicht mehr gebraucht zu werden“. Erlauben Sie sich, diese Gefühle zuzulassen, und suchen Sie nach Wegen, sie konstruktiv zu verarbeiten – sei es durch Gespräche, Tagebuchschreiben oder den Austausch mit anderen Eltern.
Sich selbst nicht aus den Augen verlieren
In der Hektik des Familienalltags und den emotionalen Herausforderungen der Pubertät ist es leicht, sich selbst zu vernachlässigen. Doch gerade jetzt ist es wichtig, auf Ihre eigene Balance zu achten.
Zeit für sich selbst schaffen
Planen Sie bewusst Zeit für Aktivitäten ein, die Ihnen guttun. Das können Hobbys, Spaziergänge oder Treffen mit Freunden sein. Auch kleine Auszeiten im Alltag – eine Tasse Tee in Ruhe oder ein gutes Buch – können Wunder wirken.
Unterstützung suchen
Scheuen Sie sich nicht, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Der Austausch mit anderen Eltern kann Ihnen helfen, neue Perspektiven zu gewinnen und sich verstanden zu fühlen. Auch Beratungsangebote oder Webinare können wertvolle Impulse geben.
Die Balance zwischen Festhalten und Loslassen finden
Die Pubertät ist eine Gratwanderung zwischen Festhalten und Loslassen. Dieser Prozess mag oft schwierig und herausfordernd erscheinen, doch er ist zugleich eine wertvolle Chance, die Beziehung zu Ihrem Kind neu zu gestalten. Indem Sie Ihrem Kind Raum für Selbstständigkeit geben und gleichzeitig Halt und Orientierung bieten, legen Sie die Grundlage für eine starke und vertrauensvolle Verbindung, die über die Pubertät hinaus Bestand hat.
Hinweis: Um Eltern in dieser besonderen Lebensphase zu unterstützen, bietet der Viva Familienservice ein kompaktes Lunch & Learn an: Am Dienstag, den 22. April 2025, von 12:00 bis 12:30 Uhr, geben wir vom Viva Familienservice wertvolle Impulse, wie Sie Loslassen und Haltgeben in Einklang bringen, respektvolle Kommunikation fördern und mit Ihren eigenen Emotionen besser umgehen können. Melden Sie sich unter www.dein-viva.de an und holen Sie sich praktische Tipps, um die Pubertät gemeinsam zu meistern.